Thriller-Time in Genf

Saison 1: Kleine Kostprobe gefällig?

Keine Sorge: Der Thriller aus Genf ist keine schwere Kost, sondern einfach nur spannend. #bücher #amazonkindle #thriller

Einfach mal reinlesen! Wie gehabt gilt natürlich: Alle Ähnlichkeiten mit noch Lebenden oder Toten sind rein zufällig.

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GENEVA GIRL - SAISON 1

KAPITEL 1

Mittwoch, 9. März 2016

Mein Atem ging regelmäßig. Laufen war mein Antidepressivum. Ich spürte die kalte Luft in jeder Pore meiner Haut. Dabei lief ich noch nicht einmal besonders schnell. Ich atmete tief ein. Sah den in der Sonne glitzernden Raureif beim Tauen zu. Blickte in einen fast wolkenlosen Himmel. Nur die hoch über der anderen Uferseite gelegenen Stadtvillen bewiesen, dass ich mich nicht irgendwo in freier Wildbahn, sondern mitten in Genf befand. Bis auf einen Frühaufsteher, der mit seinem Pudel spazieren ging, war niemand zu sehen. 

Kurz vor dem Zusammenfluss der Rhone mit der Arve steigerte ich das Tempo.  Vor ein paar Wochen hatte mir die Steigung noch einige Mühe gekostet. Aber mittlerweile nahm ich sie problemlos. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung. Stieß kleine Atemwölkchen in die frische Morgenluft. 

Sobald es hell genug geworden war, lief ich wieder. Seit ich sechzehn war, hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht zu laufen. Doch früher hatte ich es eher als Sport betrachtet und nicht als psychische Notwendigkeit. Doch in der Zeit der Vorfälle, wie ich sie nannte, war alles anders geworden.

In Hamburg hatte ich einmal eine Therapeutin aufgesucht. Das war tatsächlich eine blöde Idee gewesen. Eine sogenannte Freundin hatte mir die bekloppte Ärztin empfohlen. Doch nach jedem Treffen mit der Irrenärztin hatte ich mich noch schlechter gefühlt als vorher. Die konnte garantiert nicht einmal eine Spinnenphobie heilen. Darum hatte ich die Therapie schließlich einfach abgebrochen. Brachte ja sowieso nichts, sich mit der Tante zu unterhalten. Das Rezept für die verordneten Psychopharmaka hatte ich schon nach der ersten Sitzung in den Müll geworfen. 

Natürlich hatte ich niemanden davon erzählt. Warum sollte man seinen Körper auch unnötig mit Chemie vollstopfen? Wenn den Irrenärzten nichts Besseres einfiel, konnte man sich das Ganze sparen. Jedenfalls tat mir das Laufen gut. Sport hatte schon immer geholfen.

Nach dem Laufen fühlte man sich jedes Mal befreit. Befreit von trüben Gedanken. Schon beim Einatmen stellte sich ein Gefühl der Freiheit und Unbeschwertheit ein. Vielleicht waren es das Seratonin und die Endorphine, die beim Laufen im Gehirn freigesetzt wurden, die diese Wirkung mit sich brachten. Beim Laufen genoss man das Alleinsein. 

Endlich nervte niemand mehr. Man musste sich auch nicht großartig überwinden. Nicht erst irgendwo hinfahren oder sich nach den Terminen anderer richten. Alles, was man brauchte, waren Laufschuhe. Na ja, vielleicht auch noch etwas Musik aus dem iPhone. Die Vorfälle jedenfalls hatten aufgehört. Waren nicht viel mehr als eine vage Erinnerung. Bestimmt lag es an der Stadt.

In Genf hatte ich bei den Vereinten Nationen eine Arbeit gefunden, die mir Spaß machte. Die mich forderte und um die mich meine Kommilitonen beneideten. Ich war erst sechsundzwanzig und nach der Beendigung meines Studiums würde mir die Welt offen stehen. Gut auch, dass hier beim Laufen meistens das Wetter mitspielte. Anders als in Hamburg, wo das Wasser in den verschiedensten Aggregatzuständen vom Himmel fiel. Mal leicht tröpfelnd, mal in Sturzbächen, als Graupel, Schnee, Hagel, Nieselregen, Sprühregen, Starkregen, Dauerregen, Platzregen, Eisregen … 

Von oben störte mich der Regen nicht einmal so sehr.  Am nervigsten beim Laufen waren für mich die Radfahrer. Während sie elegant die Pfützen umfuhren, musste man selbst sich ständig umgucken und ausweichen, um nicht angefahren oder von oben bis unten mit Matsch bespritzt zu werden. Insofern musste die Kopfhörerlautstärke immer genau so leise eingestellt sein, dass man herannahende Radfahrer rechtzeitig hörte, aber laut genug, um die Umgebung ausblenden zu können. Nur so fand man den idealen Laufrhythmus.

Nach etwa einer Stunde bog ich in die Rue des Deux-Ponts ein. Ich machte noch einige Dehnübungen, bevor ich endgültig zurück Richtung Straße lief. Der Berufsverkehr hatte bereits eingesetzt.  An der Haltestelle Jonction wich ich den Wartenden aus, die jedoch kaum aufblickten, sondern weiter auf ihre Smartphones glotzten. So stellten sie immerhin kein unüberwindbares Hindernis dar.  

Bevor ich in mein Zimmer in der Wohngemeinschaft zurückkehrte, kaufte ich in der Boulangerie schnell noch ein paar Croissants. Um für etwas mehr Harmonie in der WG zu sorgen, hatte ich für meine beiden Mitbewohner ebenfalls welche besorgt. 

Rückblickend hatte ich ja auch ziemliches Glück gehabt. 

Nicht nur, dass ich eine der begehrten Praktikantenstellen bei den Vereinten Nationen ergattert hatte. Ich hatte in der viertteuersten Stadt der Welt auch ein bezahlbares Zimmer gefunden, soweit man fünfhundert Franken im Monat überhaupt als bezahlbar bezeichnen konnte. 

Doch in der zentralen Lage, keine zehn Minuten vom Genfer See entfernt, waren die Mieten normalerweise doppelt so teuer. Wer unter tausend Franken für ein Zimmer zahlte, konnte sich in Genf als Glückspilz bezeichnen. 

Bevor ich die Zusage für das Zimmer bekommen hatte, hatte ich mir schon etliche andere angeschaut. Allesamt teurer, kleiner und dann auch noch meistens stark renovierungsbedürftig. Trotzdem hätte ich eine dieser Bruchbuben genommen. Blieb mir ja auch gar nichts anderes übrig.

Es war schwieriger in Genf eine Wohnung zu finden als einen Job. Die WG- Bewerber standen Schlange und boten den Angestellten der Régie Immobilière, vergleichbar mit einer Art deutschen Hausverwaltung, nicht selten sogar Schmiergeld an, um an ein schäbiges Zimmer zu gelangen. 

Einmal hatte ich beobachtet, wie ein schmieriger Regieangestellter mit verspiegelter Sonnenbrille, der die Interessenten durch die Wohnung lotste, in einem unbeachteten Augenblick von einem Typen im Armani-Anzug ein Tausendfrankenschein zugesteckt worden war. Offensichtlich war das Zimmer für seinen unbeholfen daneben herumlungernden Sohn bestimmt, der als er meinen Blick auffing, nur entschuldigend mit den Achseln zuckte. Sogleich hatte der Sonnenbrillen-Typ etwas in seinem Notizbuch vermerkt und dem anderen verschwörerisch zugeblinzelt. Schon war damit ausgemacht, wer das Appartement bekommen würde. Die restlichen Bewerber, die sich wie ich soeben noch auf der Straße die Beine in den Bauch gestanden hatten, waren mal wieder umsonst gekommen.

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