Abheben mit Simon Ammann

BEITRAG FÜR DIE TOGGENBURGER NACHRICHTEN, SCHWEIZ:

Lernen vom Schweizer Olympiasieger Simon Ammann

Wildhaus: Schnupperspringen auf der Mattenschanze Kollersweid

Es geht die Wiese hinauf, dann weiter auf den steilen, engen Steinstufen – immer wieder fällt der Blick auf die 30-Meter-Schanze. Da soll es runtergehen? Mit jedem Schritt wird einem mulmiger zumute. Aber den Kindern scheint das gar nichts auszumachen. Sie stapfen mit ihren langen Skiern zügig zur Sprungschanze hinauf. Kein Wunder: Immerhin wartet oben auf der Plattform ja schon Doppel-Doppel- Olympiasieger Simon Ammann auf sie und wird ihnen zeigen, wie man richtig abspringt und sicher landet.

An diesem strahlenden, sonnigen Samstagmorgen wurde es ernst für den angehenden Skisprungnachwuchs: Der Ostschweizer Skiverband (OSSV) hatte Buben und Mädchen von sechs bis zwölf Jahren zum Schnupperspringen nach Wildhaus geladen und mehr als erwartet waren gekommen. „Jeder Ski, den wir auftreiben konnten, wurde gebraucht“, freut sich OSSV-Trainer Markus Bollhalder über die rege Teilnahme. Über 20 Kinder wollten wissen, wie es sich anfühlt zu fliegen.

Die Skisprungausrüstung wurde vom OSSV zur Verfügung gestellt, nur Helm und Handschuhe mussten selbst mitgebracht werden. Nachdem die OSSV-Trainer Anzug und Sprungski angepasst hatten, ging es auch schon los mit Trockenübungen. Die Trainier zeigten den Kindern die Grundbegriffe des Skispringens, übten mit ihnen die richtige Haltung, Absprungtechnik und begleiteten sie Schritt für Schritt bis zum ersten kleinen Flug.

Schritt für Schritt zum ersten Flug

Wer von den begeisterten Nachwuchsspringern die kleine K15-Schanze gut bewältigt und ganz viel Mut im Herzen hatte, der durfte sich am Nachmittag auf die hohe K32-Mattenschanze wagen. Und wer sonst als der Doppel-Olympiasieger von 2002 und 2010, Weltmeister und Gesamtweltcupgewinner aus dem Toggenburg könnte ihnen besser zeigen, wie selbst diese Schanze zu bewältigen ist? 

„Gib Dir einen Ruck. Du erfährst erst wie es ist, wenn Du jetzt los lässt.“ Simon Ammann spricht ganz ruhig. Aber der Junge im grünen Anzug ist noch nicht bereit, den Anlauf herunterzufahren und dann vom Schanzentisch abzuheben ins scheinbare nichts. Damit der Junge ein Gefühl für die grosse Schanze bekommt, hält Simon Ammann ihn fest und zeigt ihm, wie es ist, den Ski in der Spur zu führen. „Es ist ganz einfach“, sagt Simon Ammann. „Du musst nur in die Spur sehen, nicht nach unten, dann kannst du den Ski führen und fährst ganz von selbst.“

Wasser anstelle von Schnee

Aber es ist steil und verdammt hoch. Wildhaus erscheint tief unten in weiter Ferne. Statt wie im Winter auf einer festen Schneedecke herunterzufahren, fliesst bei der Mattenschanze Wasser die Anlaufspur herunter. Der Aufsprungbereich ist mit grünen Kunststoffmatten belegt, die befeuchtet wurden und dadurch eine ähnliche Gleiteigenschaft aufweisen wie Schnee.

Der 11jährige Darius war an diesem Tag der erste, der sich von der K32-Schanze heruntertraute. Er war schon bei dem Schnuppertraining im Frühjahr dabei und ist jetzt infiziert vom Springervirus. „Zuerst hatte ich Herzklopfen. Aber dann hab ich gedacht, ich fliege“, berichtet der kleine Überflieger stolz. Er überlegt sogar, das Fussballspielen aufzugeben und dafür lieber Skispringer zu werden.  

Doch was macht der Junge im grünen Anzug? Er rührt sich nicht von der Stelle. „Je länger du wartest, umso mehr zittern dir die Knie.“ Simon Ammann redet weiter geduldig mit dem Kind, das stumm in die Tiefe schaut. Minute um Minute verstreicht. Der Vater wird langsam ungeduldig. Anders Simon Ammann: „Wir sind alle bei dir. Es kann gar nichts passieren. Eins, zwei, drei, das schaffst du. Du bist genau der Typ, der das kann.“

Plötzlich Unruhe. Eine Frau stürmt auf die Plattform. „Wann kommt ihr denn endlich? Wir wollten doch schon lange los! Nun spring doch endlich!“, ruft sie aufgebracht. Und tatsächlich: Ohne zu zögern fährt der Junge die gefürchtete Anlaufspur herunter – und fliegt. Wie all die anderen vor ihm wird er diesen ersten Sprung wohl nie wieder vergessen. Denn auch wenn die Landung noch nicht perfekt war, so ist er doch am Ziel seiner Träume. 

Gleich nach dem Schnupperspringen wird Simon Ammann von Autogrammjägern umlagert. Während er schwungvoll seine Unterschrift auf Karten und T-Shirts setzt, beantwortet er unsere Fragen. 

TN: Was sollte der Skisprungnachwuchs vor allem berücksichtigen? 

Simon Ammann: Man sollte sich immer im Griff haben. Jeder muss sich ganz sicher sein, was er gerade macht. Aber die Freude am Springen ist natürlich das allerwichtigste.

TN: Auch die Ernährung spielt ja eine Rolle. Was isst ein Olympiasieger denn zu Hause am liebsten?

Simon Ammann: Ach, ich mag eigentlich alles – (grinst) nur gut muss es sein. 

TN: Selber noch Erinnerungen an den allerersten Sprung?

Simon Ammann: (lacht) Das war zum Glück im Winter. Mit Schnee ist alles gleich viel leichter. Man fühlt sich wie beim Skifahren. Aber auch ich habe mich überwinden müssen. Doch hinterher ist es einfach nur cool.

TN: Dürfte später einmal der eigene Sohn auch Skispringer werden?

Simon Ammann denkt kurz nach. Als er gerade antworten will, macht seine sehr hübsche junge Frau Yana vom Nebentisch Zeichen und schüttelt lachend den Kopf. 

TN: Dann nur noch schnell eine Frage zur kommenden Saison. Gibt es überhaupt noch neue Herausforderungen? 

Simon Ammann: Mein grosses Ziel ist es, einmal die Vierschanzentournee zu gewinnen. Aber auch bei der Ski-WM 2011 am Holmenkollen will ich wieder zeigen, was ich kann.